Felix Schittig
Code
AI
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20.3.2023

... oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

Meine persönliche Reise in die wundersame Welt der durch maschinelles Lernen erzeugten Künstlichen Intelligenzen begann, als Mitte 2022 DALL-E 2 veröffentlicht wurde. Das Konzept ist einfach: Ich gebe einen beliebigen Text ein, und die KI zaubert ein Bild daraus. Die Einfachheit der Bedienung und die Qualität der Ergebnisse waren aber sofort absolut verblüffend.

Die Welt der Bilder

Eine aus Bronze gegossene Nase als Skulptur im öffentlichen Raum? Das letzte Selfie, das je auf der Erde geknipst wurde? Ein buntes Kirchenfenster mit einer Pizza-Heiligen? Super Mario auf einem Time-Magazin Cover? Die KI zeichnet in Sekundenschnelle jedes Foto, Gemälde und überhaupt jedes optische Medium, das man sich vorstellen kann, mit jeglichem Inhalt. Wow –  das ist wirklich so revolutionär, wie alle sagen.

Auftritt ChatGPT

Als ein paar Monate später allerdings die kostenlose Demo-Version ChatGPT auf den Markt kam, war klar: Jetzt ist die Spielerei vorbei. Das hier ist Ernst - und für mich unglaublich nützlich. ChatGPT - ein Chatbot von OpenAI, basierend auf GPT-3 - ist in der Lage, kohärent auf meine Fragen zu antworten - und merkt sich unsere Konversation. So kann man eine Antwort durch weitere Nachfragen immer weiter verfeinern. Und es kennt sich richtig gut aus: Medizin, Recht, Mathematik, Statik, Teilchenphysik, Liebesbriefe, Geschenkideen, Rezepte, Geschichte, Orchideenpflege.

Die KI ist mit so unglaublich vielen Daten gefüttert, dass sie eigentlich auf alles eine Antwort weiß. Ausgenommen aktuelle Ereignisse, denn die gefütterten Daten reichen nur bis 2021. Zugegebenermaßen kann man sich nie zu hundert Prozent sicher sein, ob die Antwort gerade frei erfunden ist oder auf Tatsachen beruht - ChatGPT fabuliert lieber, als etwas nicht zu beantworten. Ein wenig Grundwissen im entsprechenden Bereich ist daher schon hilfreich. Auch können die Antworten, je nach Fragestellung, Stereotypen und eingefahrene Denkmuster bedienen.

... Danke und Bitte sage ich bei unseren Konversationen übrigens jedes Mal - so hat es mir meine Mama beigebracht, und nur so fühlt es sich irgendwie richtig an.

Schluss mit Lustig - ChatGPT mag auch Code

Für mich als UX-Designer und Programmierer ist ChatGPT besonders durch seine Kenntnis diverser Programmiersprachen interessant. Ich kann der KI in Worten beschreiben, was eine bestimmte Funktion tun soll, und sie setzt das dann in einer beliebigen Programmiersprache um. Praktisch, vor allem bei Dingen, die ich mir einfach nicht merken kann und vor ChatGPT bei jedem Projekt nachschauen musste, wie zum Beispiel RegEx Codes oder Weiterleitungen in htaccess. Inzwischen genügt es, das gewünschte Ergebnis zu formulieren und den fertigen Quellcode noch einmal zu überprüfen.

Lösungen statt Probleme

An den gezeigten Beispielen sieht man schon: ChatGPT klatscht mir die Ergebnisse nicht einfach vor die Füße - es erklärt mir jeden Schritt und sagt genau, warum und wie es etwas gemacht hat - oder warum es lieber einen anderen Ansatz gewählt hätte, als ich vorgeschlagen habe. Das funktioniert auch super, wenn ich Fragen zu Programmierung oder Fehlern in meinem Quellcode habe.

Ein Fehler mit dem Javascript-Tool ‚nodemon‘ hat mich in einem Projekt schon fast ein ganzes Jahr lang begleitet und ich konnte einfach keine Lösung finden - weder in der offiziellen Beschreibung, noch auf Google oder Stackoverflow. Als ich ChatGPT - um es mal so richtig herauszufordern, auch noch bewusst flapsig und ungenau - danach fragte, spuckte es mir sofort die korrekte Antwort aus und erklärte mir den Zusammenhang und das Warum. Wie es diese Antwort finden konnte, die mir verborgen blieb, weiß ich bis heute nicht.

Die KI Revolution hat längst begonnen

Diese KI-Tools sind unbestreitbar revolutionär und dabei ist alles, was wir momentan sehen, nur die allererste (öffentlich verfügbare) Generation. Die KIs, die am Horizont bereits zu erahnen sind, haben eine geringere Fehlerwahrscheinlichkeit, verstehen logische Zusammenhänge noch besser und arbeiten an den Copyright-Problemen, die gerade bei Bild-generierenden KIs nicht von der Hand zu weisen sind. Immerhin speist der Bot seine “Intelligenz” aus Millionen von Bildern, die er wohl “irgendwo im Internet” gefunden hat - eine Rückverfolgung, auf welchen Daten ein generiertes Bild aufbaut, ist heute nicht möglich.

Probleme mit KI-Content oder warum ich mir Sorgen mache

Da Fotos und Videos in unseren Köpfen noch immer als Beweis für etwas gelten, diese aber schon jetzt fälschbar sind, müssen wir umdenken. Auf Sozialen Medien wird gerade beispielsweise vom AFD-Bundestagsabgeordneten Norbert Kleinwächter mit KI-generierten Bildern Stimmung gemacht. Diese zeigen zum Beispiel wütende nicht-weiße Menschen. Die Kommentare belegen, dass die Bilder überzeugen und als real angesehen werden.

Auch Text-generierende KIs bringen Probleme mit  sich. Die schiere Menge an Text, die nun in Minuten mit nur ein paar Anweisungen generiert werden kann, wird mit Sicherheit für einige Wort-Fluten sorgen. SEO-Websites mit endlos langweiligen und Keyword-optimierten Texten, die bis  heute noch mühevoll “von Hand” geschrieben werden und entsprechendes Geld kosten, werden in Zukunft per Knopfdruck entstehen. Auf Amazon kann man heute schon zahlreiche E-Books kaufen, die von ChatGPT geschrieben wurden. Eine KI kann sehr klug klingen, während sie irgendwelche “Fakten” erfindet bzw. repliziert, wird die Qualität von Inhalten generell über alle Medien mit der zunehmenden Nutzung von KIs wohl abnehmen.

Die Zukunft - Herausforderung angenommen

Diese KIs sind also weder ausgereift noch sicher vor Missbrauch - aber nützlich allemal. Und vor allem: Nicht zu stoppen. Werden wir in Zukunft also, anstatt ausgefeilte Blogartikel zu erdenken, strukturieren und mühevoll zu tippen, einfach nur die Fakten in Stichpunkten auflisten, und den Rest eine KI erledigen lassen?

Und wird sich der oder die Leser:in die Mühe machen, so einen langen Artikel selbst zu lesen? Oder wird eine KI eine schnell zu erfassende Stichpunktliste der Fakten zusammenstellen um auch hier Zeit zu sparen?

Ich glaube ehrlich gesagt, schon.